Wasserstoff-Testfeld Krummhörn: Wie das Projekt KRUH2 die Energiewende vorantreibt

Wie wird Wasserstoff zum Schlüssel für die Energiewende? Um diese Frage zu beantworten, betreibt die Open Grid Europe GmbH (OGE) das Projekt KRUH2, ein Experimentierfeld zur Nutzung von grünem Wasserstoff in verschiedenen Sektoren. Wir haben mit Detlef Brüggemeyer über die Ziele und Herausforderungen des Projekts und die Rolle von Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft gesprochen.

Zwei Techniker auf der Anlage von Kruh2
KRUH2 veranschaulicht, wie die Sektorenkopplung, also die Verbindung von Strom-, Wärme- und Gasnetzen und der Mobilität, für die Energieversorgung in Deutschland funktionieren kann. Foto: OGE
Detlef Brüggemeyer

Detlef Brüggemeyer

Detlef Brüggemeyer ist seit Juli 2024 Mitglied der Geschäftsführung bei der Open Grid Europe GmbH (OGE) mit dem Schwerpunkt Technik. Vorher war er seit 2013 Leiter Netzplanung und -steuerung.

Herr Brüggemeyer, welches Ziel verfolgt das Projekt KRUH2?

Detlef Brüggemeyer: Mit KRUH2 testen wir verschiedene Möglichkeiten der Wasserstoffnutzung. Dazu gehört vor allem das Thema Rückverstromung: Wir speichern grün erzeugten Wasserstoff, um ihn genau dann rückverstromen zu können, wenn er benötigt wird.

Darüber hinaus sind wir uns sehr sicher, dass Wasserstoff in Zukunft auch im Wärmemarkt eine Rolle spielen wird. Daher haben wir im Rahmen des Projektes KRUH2 in Quartierslösungen gedacht und dafür Brennstoffzellen vorgesehen, die sowohl Wärme abgeben als auch Strom produzieren können.

Der dritte Bereich ist der Mobilitätssektor. Hier sehen wir Wasserstoff vor allem im Schwerlastverkehr als einen der Eckpfeiler.

Für KRUH2 haben wir vor Ort einen Elektrolyseur aufgebaut, mit dem wir den Einsatz von Wasserstoff zur Rückverstromung, für die Wärmeerzeugung und die Mobilität testen können.

Warum wurde Krummhörn als Standort gewählt?

Detlef Brüggemeyer: Krummhörn ist ideal, da wir dort bereits eine Verdichterstation und Zugang zu Salzkavernenspeichern haben. Zudem generieren Windkraftanlagen in der Region einen Überschuss an erneuerbarem Strom, den wir direkt für die Wasserstoffproduktion nutzen können. Kurz gesagt: Wir sammeln die Erkenntnisse direkt vor Ort, weil dort sowohl die nutzbare Energie als auch die Infrastruktur vorhanden sind.

Welchen Herausforderungen steht KRUH2 gegenüber?

Detlef Brüggemeyer: Die Herausforderungen beginnen schon bei der Projektidee. Im Erdgasbereich kennen wir uns gut aus, der Energieträger Wasserstoff bringt aber neue technische und regulatorische Aufgaben mit sich. Im Rahmen eines solchen Projektes müssen sich alle Beteiligten mit Sachverhalten auseinandersetzen, für die es nicht immer vorgefertigte Antworten gibt. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Behören und Projektpartnern ist daher sehr wichtig und bei KRUH2 sehr gut gelungen.

Eine weitere zentrale Herausforderung ist es, den optimalen Betrieb der Anlage sicherzustellen. Wir nutzen einen digitalen Zwilling, der dafür kontinuierlich angepasst wird, um auf verschiedene Faktoren wie Wetter, Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom sowie Tagestemperaturen vorbereitet zu sein. Diese Aspekte werden intensiv getestet, sodass das Team ständig dazulernt.

Sie haben bereits den digitalen Zwilling erwähnt. Was genau hat es damit auf sich?

Detlef Brüggemeyer: Für KRUH2 haben wir vor Ort einen Elektrolyseur aufgebaut, mit dem wir den Einsatz von Wasserstoff in allen drei genannten Bereichen testen können. Zusätzlich nutzen wir den digitalen Zwilling, eine Art digitale Kopie der physischen Anlage. Mit seiner Hilfe können wir die Anwendungen optimal steuern und wichtige Daten in Echtzeit auswerten. Das hilft uns zu verstehen, wie die Anlagen funktionieren und reagieren. Das Ziel ist eine präzise aufeinander abgestimmte Steuerung des Gesamtkreislaufs. Hier gilt es, verschiedene Optimierungskriterien zu definieren und im besten Fall auch digitale Innovationen mitnehmen zu können.

Stichwort „digitale Innovationen“. Sie haben ein Konzept entwickelt, wie die Zertifizierung von grünem Wasserstoff sichergestellt werden kann …

Detlef Brüggemeyer: Sie meinen den „Green Token“. Damit wollen wir der Tatsache Rechnung tragen, dass es unterschiedliche Herkunftsarten von Wasserstoff gibt. Für grünen Wasserstoff wollen wir mit dem Green Token einen digitalen Nachweis erbringen, der die Herkunft des Wasserstoffs dokumentiert und die CO₂-Emissionen präzise ausweist. Diese Aufgabe lässt sich nur durch einen stark automatisierten Prozess bewältigen.

Mit KRUH2 entwickeln wir ein Verständnis dafür, wie Wasserstoff als Energieträger effektiv genutzt und digital gesteuert werden kann.

Kann KRUH2 als Modell für eine flächendeckende Wasserstoffwirtschaft dienen?

Detlef Brüggemeyer: Ja, KRUH2 könnte als Blaupause dienen. Hier entwickeln wir ein Verständnis dafür, wie Wasserstoff als Energieträger effektiv genutzt und digital gesteuert werden kann. Und KRUH2 zeigt, wie die Sektorenkopplung – also die Verknüpfung von Strom-, Wärme- und Mobilitätsnetzen – funktionieren könnte.

Nur die Dekarbonisierung der Industrie lässt sich hier aus nachvollziehbaren Gründen nicht abbilden. Ich persönlich hege besondere Hoffnungen, was die digitale Steuerung angeht. Eine solch kompakte Anlage wie in Krummhören habe ich bisher noch nicht gesehen.

Kürzlich hat die Bundesnetzagentur grünes Licht für das Wasserstoffkernnetz gegeben. Für OGE dürfte das von großer Bedeutung sein. Inwiefern spielt KRUH2 hier eine Rolle?

Detlef Brüggemeyer: Die Genehmigung des deutschlandweiten Wasserstoff-Kernnetzes durch die Bundesnetzagentur ist ein entscheidender Schritt zum Aufbau einer zukunftsfähigen Wasserstofftransportinfrastruktur. Gemeinsam mit anderen nationalen Gasnetzbetreibern werden wir das Kernnetz nun sukzessiv aufbauen.

Das Kernnetz wird Produzenten und Abnehmer von Wasserstoff miteinander verbinden. Für diese können dann auch die aus dem Projekt KRUH2 gewonnenen Erkenntnisse wertvoll sein.  Es ist aber kein direkter Bestandteil des H2-Kernnetzes.

Rückblickend halte ich es für bemerkenswert, dass wir vor wenigen Jahren immer noch geglaubt haben, alles elektrifizieren zu können.

Abschließend: Hat Wasserstoff das Potenzial, ein zentraler Energieträger zu werden?

Detlef Brüggemeyer: Wir benötigen sowohl grüne Elektronen als auch grüne Moleküle. Es gibt unterschiedliche Anwendungen, in denen jeder dieser beiden Energieträger sinnvoll einsetzbar ist. Ich glaube deshalb, dass Wasserstoff insbesondere in der Industrie, im Schwerlastverkehr, im Wärmemarkt und bei der Rückverstromung eine Zukunft hat und ein wichtiger Energieträger sein wird.

Rückblickend halte ich es für bemerkenswert, dass wir vor wenigen Jahren immer noch geglaubt haben, alles elektrifizieren zu können. Diese Sicht hat sich über die Jahre sehr nachhaltig hin zur Erkenntnis geändert: Wasserstoff wird ein Bestandteil der zukünftigen Energiewelt sein. Nun müssen wir nur noch die Frage beantworten, wie hoch sein Anteil sein wird.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Brüggemeyer

Das Projekt KRUH2

Projektort: Krummhörn, Niedersachsen

Wasserstoffproduktion: ca. 210 Nm³/h (entspricht 18–19 kg Wasserstoff pro Stunde)

Speicher: zwei Druckbehälter mit je 1.200 Nm³ Nutzvolumen

Kosten: Gesamtinvestition ca. 6 Mio. Euro (2,8 Mio. Euro Förderung durch das Land Niedersachsen)

Das Herzstück der Anlage bildet der 1-Megawatt-Elektrolyseur, der ca. 210 Nm³/h Wasserstoff herstellen kann. Das entspricht 18 bis 19 kg Wasserstoff pro Stunde oder drei Tankfüllungen eines Pkw. Der produzierte Wasserstoff wird auf der Verdichterstation zwischengespeichert und direkt genutzt. Für die Speicherung stehen zwei Druckbehälter mit einem nutzbaren Speichervolumen von jeweils 1.200 Nm³ zur Verfügung.

Zu KRUH2 gibt es zudem einen „digitalen Zwilling“ um die Wasserstoffwertschöpfungskette dauerhaft zu optimieren. Echtzeitdaten der technischen Anlage kombiniert mit Strommarktdaten und Trends ermöglichen eine Produktionsplanung mit verbesserten Herstellungskosten. Dies führt zu einer signifikanten Reduzierung der Herstellungskosten für Wasserstoff. Auf dieser Grundlage nutzt OGE den Wasserstoff neben der Wärmeversorgung auch für die Mobilität. Die betriebseigene Tankstelle versorgt drei Wasserstofffahrzeuge, die für das Betriebspersonal zur Verfügung stehen.

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