Eine neue Gas-Pipeline verbindet nicht nur Wilhelmshaven mit Leer, sondern auch die Gegenwart mit der Zukunft: Die Leitung sichert die Energieversorgung und ermöglicht gleichzeitig den Transport von klimafreundlichem, grünem Wasserstoff.
Es ist Februar 2022 – Russland überfällt die Ukraine und löst damit auch eine globale Energiekrise aus. In Deutschland soll die Versorgungssicherheit durch neue Gas-Bezugsquellen gestärkt werden. Am 21. Dezember 2022 wird über das schwimmende LNG-Terminal in Wilhelmshaven erstmals Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) nach Deutschland importiert. Doch wie kommt das Gas von hier aus zu den Verbraucher*innen?
Es braucht eine neue Gasleitung, und zwar schnell. Der Plan: Eine 70 Kilometer lange Pipeline soll in kürzester Zeit von Sande bei Wilhelmshaven nach Leer gebaut werden. Zunächst ist sie für den Transport von LNG gedacht, aber schon ab 2028 soll sie als eine der ersten Leitungen grünen Wasserstoff transportieren. Dann wird sie Teil des Wasserstoff-Kernnetzes in Deutschland sein und damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.
Die Bauphase war geprägt von vielen Herausforderungen. Fast ein Fünftel der Strecke musste in geschlossener Bauweise, also unter der Erde, verlegt werden. Dazu kamen 15 aufwendige Horizontalbohrungen, mehr als 200 Baugruben, 83 Kilometer Baustraßen und zahlreiche Sonderbauwerke, die präzise koordiniert werden mussten. Auch das Wetter spielte nicht immer mit: Starke Regenfälle verzögerten die Arbeiten und erschwerten die Rekultivierung der betroffenen landwirtschaftlichen Flächen.
Von der Planung bis zur technischen Fertigstellung vergingen nur knapp zwei Jahre. Ein Zeitraum, der beispiellos ist, denn normalerweise werden für Projekte dieser Größenordnung eher fünf Jahre benötigt. Möglich wurde das durch eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten: Behörden, Grundstückseigentümer*innen und Bauunternehmen arbeiteten Hand in Hand. Besonders bemerkenswert: Rund 1.000 Landbesitzer*innen stimmten der Nutzung ihrer Flächen schnell und unkompliziert zu.
„Die EWE-Zukunftsleitung ist mehr als nur eine Pipeline. Sie ist ein Symbol dafür, wie Energieprojekte in Deutschland schneller und effizienter umgesetzt werden können, wenn alle an einem Strang ziehen“, so Werner Müller Leiter des Projektes „Gasanbindung Wilhelmshaven – Leer“ bei EWE Netz. Dennoch, so Müller, sei eine so kurze Planungszeit keine Blaupause für die Zukunft. Die Erfahrungen, die hier gesammelt wurden, können aber helfen, künftige Projekte besser zu gestalten.
Die Anbindungsleitung sorgte schnellstmöglich dafür, dass rund 4 Mio. Haushalte mit Energie aus regasifiziertem LNG versorgt werden können. Die Leitung ist H₂-ready und kann für den späteren Transport von grünem
Wasserstoff genutzt werden.
Verlauf unterirdisch mit einer Mindestüberdeckung von 1,2 Metern, größtenteils im Bereich landwirtschaftlicher Grundstücke mit rund 1.000 Eigentümerinnen und Eigentümern sowie Nutzungsberechtigten. Die betroffenen Flächen können weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden.
Offizielle Inbetriebnahme: Anfang 2024
Länge: rund 70 km
Investitionsvolumen: über 200 Mio. Euro
Kapazität: bis zu 6 Mrd. Kubikmeter Erdgas pro Jahr.
Nennweite: 600 mm
Auslegungsdruck: 100 bar
Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme der EWE-Zukunftsleitung wurde nicht nur die Versorgungssicherheit kurzfristig gestärkt. Die Leitung ist H2-ready und soll langfristig Industriezentren, Kraftwerke und Speicher mit grünem Wasserstoff versorgen. Damit ist sie ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Energieversorgung.
Dieser Beitrag basiert auf einem Fachbeitrag von Werner Müller und Thorsten Soppa, beide EWE Netz GmbH, der im November 2024 in der Fachzeitschrift DVGW energie | wasser-praxis erschienen ist.
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